Internationaler Gastschulaufenthalt

Internationaler Gastschulaufenthalt

Internationaler Gastschulaufenthalt

Auslandsaufenthalte von Schülern bei einer Gastfamilie (etwa für ein Jahr in den USA/Kanada, England oder Frankreich) werden immer beliebter.

Für diese spezielle Art der Reise gibt es Sonderregeln, welche die allgemeinen reiserechtlichen Vorschriften ergänzen.

Vor Abbruch eines Gastschul- oder Praktikumsaufenthalts sollten Sie unbedingt einen Rechtsanwalt mit der Prüfung beauftragen, ob die Voraussetzungen für eine Kündigung tatsächlich gegeben sind.

 

I. Rechte und Pflichten

§ 651 l BGB regelt den internationalen Gastschulaufenthalt, d.h. die Unterbringung eines Gastschülers in einer Gastfamilie im Ausland mit einem regelmäßigen Besuch einer ausländischen normalen Schule, wenn der Aufenthalt mindestens drei Monate beträgt.

Für kürzere Gastschul- oder Praktikumsaufenthalte kann die Anwendung des § 651 l BGB vertraglich vereinbart werden.

Sprachreisen oder Sprachkurse werden nicht von § 651 l BGB erfasst. Insoweit kommen die §§ 651 a ff BGB zur Anwendung.

Die Vorschrift des § 651 l BGB kann nicht durch Vereinbarungen zum Nachteil des Gastschülers geändert werden.

Reiseveranstalter ist der Anbieter des Gastschulaufenthalts. Reisender ist der Vertragspartner des Reiseveranstalters (i.d.R. die Eltern des Gastschülers) oder der Gastschüler selbst.

Der Reiseveranstalter ist gem. § 651 l Abs.2 BGB verpflichtet,

- für eine nach den Verhältnissen des Aufnahmelandes angemessene Unterbringung, Beaufsichtigung und Betreuung des Gastschülers in einer Gastfamilie zu sorgen und

- die Voraussetzungen für einen geregelten Schulbesuch des Gastschülers im Aufnahmeland zu schaffen (er muss den Gastschüler an einer Schule anmelden).

Der Gastschüler ist verpflichtet, zum Gelingen des Gastschulaufenthalts beizutragen.

Der Reiseveranstalter muss gewährleisten, dass die Gastfamilie erzieherisch und zeitlich in der Lage ist, den Gastschüler angemessen zu beaufsichtigen und zu betreuen. Die örtlichen Agenturen sind verpflichtet, die Schulen regelmäßig zu kontollieren.

II. Ansprüche bei Reisemängeln und bei höherer Gewalt

Bei Reisemängeln (bspw. bei Mängeln der Unterbringung oder der Organisation des Schulbesuchs) finden die §§ 651 c bis f BGB Anwendung.

Bei höherer Gewalt, welche die Reise erheblich beeinträchtigt, kann gekündigt werden (§ 651 j BGB).

Der Reisende kann bei Reisemängeln den Reisepreis mindern. Auf ein Verschulden des Reiseveranstalters kommt es im Rahmen der Minderung nicht an. Die Minderung ist verschuldensunabhängig.

Werden Zusicherungen nicht eingehalten, liegt ein Reisemangel i.S.d. § 651 c BGB vor.

Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreude gem. § 651 f Abs.2 BGB kann bei einem Gastschulaufenthalt nicht gefordert werden, da es sich nicht um einen Urlaub handelt.

III. Rücktritt vor Vertragsbeginn

a) Rücktritt vor Vertragsbeginn durch den Reisenden

Der Reisende kann vor Vertragsbeginn jederzeit vom Vertrag zurücktreten und muss dem Reiseveranstalter gem. § 651 l Abs.3 BGB auch keine Entschädigung gem. § 651 i BGB zahlen, wenn der Reiseveranstalter ihn nicht spätestens zwei Wochen vor Antritt der Reise jedenfalls über

- Namen und Anschrift der für den Gastschüler bestimmten Gastfamilie und

- Namen und Ereichbarkeit eines Ansprechpartners im Aufnahmeland, bei dem auch Abhilfe verlangt werden kann,

informiert und auf den Aufenthalt angemessen vorbereitet hat.

Begründet werden muss der Rücktritt vor Reisebeginn nicht.

b) Rücktritt vor Vertragsbeginn durch den Reiseveranstalter

Der Reiseveranstalter kann gem. § 651 a V BGB kündigen wegen höherer Gewalt und Nichterreichen einer Mindestteilnehmerzahl.

Die außerordentliche Kündigung ist gem. § 314 BGB möglich.

Bei Rücktrittsvorbehalten der Reiseveranstalter in Allgemeinen Reisebedingungen ist § 308 Nr.3 BGB zu beachten.

IV. Kündigung nach Vertragsbeginn

a) Kündigung nach Vertragsbeginn durch den Reisenden

Gem. § 651 l IV BGB kann der Reisende den Vertrag bis zur Beendigung der Reise jederzeit kündigen.

In diesem Fall ist der Reiseveranstalter berechtigt, den vereinbarten Reisepreis abzüglich der ersparten Aufwendungen zu verlangen, es sei denn der Reisende konnte nach § 651 e BGB (wegen eines erheblichen Reisemangels) oder nach § 651 j BGB (wegen höherer Gewalt) kündigen.

Der Reiseveranstalter ist verpflichtet, die infolge der Kündigung notwendigen Maßnahmen zu treffen, insbesondere falls der Vertrag die Rückbeförderung vorgesehen hat, den Gastschüler zurückzubefördern.

Die Mehrkosten fallen dem Reisenden zur Last, es sei denn der Reisende konnte nach § 651 e BGB (wegen eines erheblichen Reisemangels) oder nach § 651 j BGB (wegen höherer Gewalt) kündigen.

Die Kündigung ist durch den Reisenden (Eltern des Gastschülers oder Reisender selbst) gegenüber dem Reiseveranstalter zu erklären.

Es kommt immer wieder vor, dass gegenüber der Gastfamilie selbst oder dem Ansprechpartner vor Ort gekündigt wird. Dies ist i.d.R. unwirksam (gegenüber dem Ansprechpartner ist eine Kündigung nur dann wirksam, sofern dieser zur Entgegennahme der Kündigung bevollmächtigt ist).

b) Kündigung nach Vertragsbeginn durch den Reiseveranstalter

In § 651 l IV BGB ist kein Kündigungsrecht des Reiseveranstalters geregelt.

Der Reiseveranstalter kann gem. §§ 651 e BGB, 651 j BGB oder gem. § 314 BGB kündigen.

Eine Kündigung gem. § 314 BGB ist etwa bei der Begehung von Straftaten des Gastschülers oder bei einem Schulverweis zulässig.

V. Urteile zum Internationalen Gastschulaufenthalt

1) Kündigung des Gastaschulaufenthalts durch den Reiseveranstalter:

Urteil des LG Frankfurt a.M. vom 14.06.2002, 2-19 O 87/02, RRa 2002, 212:

außerordentliche Kündigung des Reiseveranstalters gem. § 314 BGB wegen Herunterladens von pornografischen Seiten aus dem Internet über den PC der Gasteltern und Handeltreibens mit pornografischen Seiten ist zulässig

Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11.12.2012 (304 O 37/12):

zur Kündigung des Vertrages durch den Reiseveranstalter wegen mangelhafter schulischer Leistungen. Die Kündigung wurde für unwirksam erklärt. Zwar waren im Vertrag mangelhafte schulische Leistungen als Kündigungsgrund vereinbart. Gem. § 314 BGB muss aber vor jeder Kündigung zwingend eine Abmahnung erfolgen (der Gastschüler muss einen Hinweis auf mangelhafte Leistungen und die mögliche Kündigung bekommen und ihm muss zudem ausreichend Gelegenheit gegeben werden, seine Leistungen zu verbessern).

Diese Voraussetzungen lagen nicht vor, da die Kündigung 16 Tage nach der Abmahnung erfolgte.

Den Eltern des Gastschülers wurden 70 % des Reisepreises im Wege der Minderung zugesprochen.

Urteil des LG Hamburg vom 20.10.2009, 312 O 173/09, RRa 2010, 141-143:

Rücktrittsvorbehalt beim Gastschulaufenthalt ist wirksam, wenn der Rücktritt davon ahängig gemacht wird, dass trotz Bemühungen keine Gastfamilie gefunden werden konnte

Vorfälligeitsklausel

 

2) Kündigung des Gastschulaufenthalts durch den Reisenden:

Urteil des OLG Köln vom 11.09.2000, 16 U 77/99:

Kündigung unwirksam,

Kündigung gem. § 651 e BGB wegen Hygieneproblemen war unwirksam, da zuvor keine Frist zur Abhilfe gesetzt wurde.

Urteil des OLG Köln vom 03.09.2007, 16 U 11/07:

Kündigung wirksam,

hier Unterbringung in einem durch Malaria gefährderten Gebiet in Südafrika entgegen der ausdrücklichen schriftlichen Abrede, dass die Unterbringung in einem low-risk-Gebiet erfolgt, keine umgehende Abhilfe

 

Urteil des LG Köln vom 02.03.2004, 11 S 279/03:

Kündigung wirksam,

Reiseveranstalter kann den Reisepreis abzüglich ersparter Aufwendungen verlangen. Er ist nicht zur weitergehenden Offenlegung seiner Kalkulation verpflichtet, wenn er darlegt, dass infolge der Kündigung nur anteilige Versicherungskosten und Kosten der Partnerorganisation eingespart wurden. Für ersparte Personalkosten ist der Reisende darlegungs- und beweispflichtig.

Urteil des LG Berlin vom 03.06.2004, 5 O 569/03, NJW-RR 2005, 361:

Kündigung wirksam,

Schweinemastbetrieb ist unangemessene Unterbringung i.S.d. § 651 l II Nr.1 BGB.

Urteil des LG Berlin vom 19.04.2004, 14 O 585/03, RRa 2005,227:

Kündigung wirksam,

allein lebender Mann, der häufig beruflich unterwegs ist, ist als Gastfamilie ungeeignet

Urteil des AG Köln vom 21.04.2009, 134 C 267/08, RRa 2009, 251:

Kündigung wirksam,

sofern mündlich vereinbart wurde, dass nicht nur der Reiseveranstalter, sondern auch der Reisende sowohl eine Gastfamilie als auch eine Schule suchen kann, begeht der Reiseveranstalter eine Pflichtverletzung, wenn er die vom Reisenden angegebene Gastfamilie bei seiner Auswahl nicht berücksichtigt. Dies führt zu einem Kündigungsrecht des Reisenden gem. § 651 e BGB.

 

Urteil des AG Köln vom 28.07.2005, 129 C 23/05, RRa 2006, 178:

Kündigung unwirksam,

Ein Mangel ist nicht gegeben, wenn beide Gastelternteile beruftsätig sind und zahlreiche Kinder haben. Sofern dem Gastschüler nicht bis zum vertraglich vorgesehenen Termin der Name der Gastfamilie mitgeteilt wird, kann er den Reisepreis mindern, also einen Teil des Reisepreises zurückfordern.

Urteil des AG Bensheim vom 04.08.2004, 6 C 541/04, RRa 2005, 40

nach Kündigung durch den Gastschüler ging es um die Erstattung ersparter Aufwendungen i.S.v. § 651 l IV S.2 BGB.

Dem Gastschüler steht insofern ein Auskunftsanspruch zu.

Der Reiseveranstalter ist verpflichtet, die gesamte Kalkulationsgundlage konkret offenzulegen.

 

3) Minderung des Reisepreises bei Reisemängeln

Urteil des AG Köln, RRa 2006, 178:

Verspäteter Aufenthaltsbeginn des Gastschulaufenthalts ist Reisemangel.

4) Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreude gem. § 651 f Abs.2 BGB:

Urteil des LG Berlin vom 19.04.2004, 14 O 585/03, RRa 2005,227:

Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreude gem. § 651 f Abs.2 BGB kann bei einem Gastschulaufenthalt nicht gefordert werden, da es sich nicht um einen Urlaub handelt.